Aus Anlass des Artikels von Frank Sauer in der Zeit habe ich mir nochmal von ChatGPT den Begriff Realismus (mit großem ‘R’) und realistisch (mit kleinem ‘r’) erläutern lassen:
In Diskussionen über Außenpolitik fällt oft das Wort Realismus – mal mit großem, mal mit kleinem Anfangsbuchstaben. Was auf den ersten Blick wie ein Schreibfehler wirkt, offenbart bei näherem Hinsehen einen grundlegenden Unterschied: Zwischen Realismus als theoretischem Modell und realistisch als politischer Haltung.
Realismus (mit großem R): Eine Theorie der internationalen Beziehungen
Der Realismus in den Internationalen Beziehungen (IB) ist ein wissenschaftliches Paradigma, das Staaten als rationale Akteure in einer anarchischen Weltordnung betrachtet.
Kernelemente des Realismus
- Die Welt ist anarchisch organisiert – es gibt keinen übergeordneten „Weltstaat“.
- Staaten sind die zentralen Akteure.
- Sie handeln primär im Sinne ihrer Macht- und Sicherheitssicherung.
- Kooperation ist schwierig, da Misstrauen die Grundhaltung dominiert.
- Moralische Kategorien (z. B. Menschenrechte) spielen eine untergeordnete Rolle gegenüber Interessenpolitik.
Wichtige Vertreter
- Hans Morgenthau – klassischer Realismus
- Kenneth Waltz – struktureller Neorealismus
- John Mearsheimer – offensiver Realismus
Beispielhaft lässt sich der Ukraine-Krieg aus realistischer Sicht als ein Ringen um Einflusssphären und Sicherheitsgarantien deuten – jenseits moralischer Bewertungen.
realistisch (mit kleinem r): Eine politische Haltung
In der Alltagssprache – und auch in der politischen Rhetorik – steht „realistisch“ meist für eine pragmatische, nüchterne Sichtweise: Was ist machbar, nicht was wäre wünschenswert?
Typische Aussagen
- „Wir müssen realistisch bleiben.“
- „Eine realistische Einschätzung der Lage…“
- „Das ist kein Idealismus, das ist Realismus.“
Hier meint der Begriff keine Theorie, sondern eine Haltung, die sich an Interessen, Zwängen und Handlungsspielräumen orientiert – häufig in Abgrenzung zu moralisch-idealistisch motivierten Positionen.
Vermischung und politischer Gebrauch
In der politischen Praxis werden beide Begriffe oft verschwommen verwendet:
- Ein Regierungswechsel wird als „Rückkehr zum Realismus“ bezeichnet – gemeint ist aber meist eine weniger idealistische Haltung, nicht unbedingt eine Anlehnung an die Realismus-Theorie.
- Auch der Begriff „wertegeleitete Außenpolitik“ steht oft im Spannungsverhältnis zur realistischen Sichtweise – sowohl mit großem als auch kleinem „r“.
Fazit
Begriff | Bedeutung | Kontext |
---|---|---|
Realismus (groß) | Theorie der internationalen Beziehungen | Akademisch, analytisch |
realistisch (klein) | Haltung: pragmatisch, nüchtern, machtorientiert | Politischer Alltag, Rhetorik |
Beide Begriffe haben ihre Berechtigung – aber sie sollten nicht verwechselt werden. Wer in Debatten von „Realismus“ spricht, sollte sich bewusst sein, ob er eine Theorie meint – oder nur eine Haltung beschreibt.